Ursprung und Verbreitung

Das ursprüngliche Vorkommensgebiet der Sikahirsche erstreckte sich auf dem Festland von Ostchina über Südost-Sibirien bis hin nach Vietnam und umfasst die Inselpopulationen Taiwans und Japans. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Sikahirsche in zahlreiche Gegenden der Welt eingeführt worden, so in Europa, Marokko, der Nordmongolei, Neuengland, Texas, Australien, Madagaskar und Neuseeland. Die Aussiedlung von Sikahirschen in West- und Zentraleuropa erfolgte überwiegend mit Tieren japanischen und in sehr geringem Umfang mit Tieren mandschurischen Ursprungs bzw. aus dem Ussuri-Gebiet. Die Ansiedlungen in der ehemaligen Sowjetunion erfolgte in den 1930er Jahren ausschließlich mit Dybowski-Hirschen aus Hirschfarmen des Ussuri-Gebietes, Hoch-Altai und des Steppen-Zooparkes Askania Nova (Südukraine).

In Zentral- und Westeuropa existieren derzeit freilebende Sika-Bestände auf den britischen Inseln, in Dänemark, Polen, Tschechien, Österreich sowie Deutschland und der Schweiz.

In Deutschland wurden 1893 die ersten Sikahirsche als Parkwild eingeführt. Um die Mitte des darauffolgenden Jahrhunderts bildeten ausgesetzte und entflohene Tiere neue Populationen. Heute sind sie innerhalb Deutschlands überwiegend in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Baden- Württemberg und Bayern zu finden. Aufgrund der hohen Anpassungsfähigkeit, der guten Futterverwertung, der sehr guter Fleischqualität, dem hervorragendes Abäsen von Flächen und der Eignung niedriger Zäune wird Sikawild immer mehr in landwirtschaftlichen Gehegen für die Zucht und Fleischproduktion zur Nutzung von Grün- und Brachland gehalten.

Systematik

Die Systematik der Sikahirsche ist noch nicht endgültig geklärt. Sikahirsche gehören zu der Familie der Hirsche (Cervidae) und zur Unterfamilie der Echthirsche (Cervinae). Insgesamt sind im ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Ostasien mehr als 70 Unterarten des Sikahirsches beschrieben worden, wobei dem Sikahirsch teilweise der Rang einer eigenen Gattung (Sika) oder aber Untergattung (Cervus Sika) eingeräumt worden ist. Aufgrund der unübersichtlichen systematischen Verhältnisse und der beträchtlichen Größenunterschiede der Sikahirsche verschiedener geographischer Herkünfte ist im deutschsprachigen Raum in der Vergangenheit häufig lediglich zwischen den großwüchsigen Formen, die als Dybowski-Hirsche bezeichnet wurden und den kleinen Formen (sog. Nippoiden) unterschieden worden, was vor allem von Praktikern aus pragmatischer Sicht bis in die Gegenwart beibehalten wird.

Trotz Nachteilen der Ansiedlung der Sikahirsche im Bezug auf Faunenverfälschung und die Konkurrenz zu dem Rotwild, besonders auch im Hinblick auf eine mögliche Hybridisierung/Bastardisierung, wird die Akklimatisierung des Sikawildes in Europa und in anderen geeigneten Gebieten der Erde von Wildbiologen, Jagdwissenschaftlern und Jägern positiv bewertet, weil diese Wildart in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet bedroht war und einige Unterarten heute noch bedroht bzw. schon ausgerottet sind. Sikahirsche sind biologisch, jagdlich und nutzartig sehr interessant – freilebenden Populationen sollten unter geeigneten Klima- und Biotopbedingungen eine dauerhafte Überlebenschance gegeben werden.

Farbe

Das Sommerhaar des Sikahirsches ist in der Regel rotbraun bis fuchsrot und weist zahlreiche weiße Flecken auf, die in 7 bis 8 Längsreihen über den Rücken verlaufen und in einem deutlichen Kontrast zur übrigen Fellfarbe stehen. Ein dunkler Aalstrich zieht sich bis über den Wedel und kann durchgängig oder unterbrochen sein. Der Spiegel ist weiß mit einer schwarzen Umrandung. Dem Spiegel kommt eine Signalwirkung zu: erregte Tiere spreizen die Haare des Spiegels und vergrößern ihn so optisch. Das Winterhaar ist dunkelbraun, die Flecken verblassen fast vollständig und der Aalstrich ist auch erkennbar. Hirsche sind allgemein dunkler gefärbt als weibliche Tiere. Auffallend und typisch für das Sikawild sind die hellen Haarbürsten der Metatarsaldrüse an den Außenseiten der Hinterläufe unterhalb des Sprunggelenks. Diese Haarbürsten können als eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zu Damwild herangezogen werden. Im Winter wächst bei beiden Geschlechtern eine dichte Halsmähne, die aufgerichtet werden kann. Der Kopf ist etwas heller als die Mähne und der übrige Körper. Der Dybowski-Hirsch weist einen besonders dunklen Farbton auf und auch bei ihm ist im Winterkleid die Fleckenzeichnung noch undeutlich auszumachen.

Sikawild verfärbt sich im Frühjahr im Mai/Juni und im Herbst findet der Haarwechsel im Oktober/November statt. Auch beim Sikawild verfärben Jungtiere zuerst.

Geweihbildung

Sikahirsche bilden im Gegensatz zu Damhirsche keine Schaufeln sondern Geweihe aus. Die Geweihentwicklung unterliegt einer photoperiodischen Kontrolle und findet bei einer Stagnation des Hodenwachstums, bei sinkenden Testosteronwerten und Kreatiningehalte im Blutserum statt. Spießer werfen das Geweih überwiegend Ende Mai ab, ältere Hirsche dagegen früher zwischen April und Mai. Der Verlust der Stangen erfolgt durch Abbau von Knochenmasse zwischen dem Rosenstock und der Stangenbasis. Der Aufbau des Geweihs erfolgt zunächst in Knorpelmasse, die später verknöchert wird. Bis zum Abschluss der Geweihbildung sind die Stangen mit Basthaut überzogen. Ab Mitte Juni, wenn die Mineralisierung und das Längenwachstum des Geweihs abgeschlossen sind, fegen die Hirsche ihr fertiges Geweih. Die Spießer fegen von Ende August bis Anfang Oktober, ältere Hirsche zwischen April und Mai. Zum Fegen werden Baumstämme, Äste und Gräser genutzt und die fast weißen Stangen werden von dem Pflanzensaft dunkel gefärbt. Das Geweih eines reifen Hirsches (6-8 Jahre) geht selten über die Achterstufe hinaus und bildet keine Krone. Die Stangenlänge beträgt 40-65 cm, beim Dybowski-Hirsch bis 80 cm.

Gewichtsentwicklung

Sikakälber haben bei der Geburt, je nach Ursprung, ein Gewicht von 3,5 bis 7 kg. Im Alter von 9 Monaten wiegen die weiblichen Kälber 16-32 kg und die männlichen Kälber 20-36 kg. Bei der Schlachtung im Alter von 18-20 Monaten liegen die Gewichte  der Schmaltiere bei 32-60 kg und der Spießer bei 40-70 kg.

Alttiere erreichen Gewichte von 40-60 kg und die Althirsche in der Feistzeit 55-70 kg bei einer Widerristhöhe von 65 bis 110 cm. Die Gewichtsentwicklung beim Sikawild ist immer von der Futtergrundlage abhängig. Klimaverhältnisse, Biotop und andere Umweltfaktoren tragen zu Entwicklung der Körpermaße und der Gewichte bei. Tiere in der freien Wildbahn haben immer aufgrund der größeren Selektionsmöglichkeiten bei der Futteraufnahme bessere Gewichte als Gehegewild.

Sinnesleistungen und Verhalten

Bei Sikawild, wie beim Rotwild, ist der Sehsinn von allen Sinnen am schwächsten entwickelt.

Der Geruch- und Gehörsinn spielt eine große Rolle und ist am besten entwickelt. Wie beim Rotwild stimuliert die Schwankung der Luftfeuchtigkeit das Witterucksvermögen. Geräusche werden genau lokalisiert und die Tiere ergreifen sofort die Flucht. Sikawild ist sehr schwer bei der Jagd anzusprechen und findig zu machen.

Der Hirsch suhlt häufig und Feuchtbiotopen werden auch von den Tieren gut angenommen. Bei einem Platzhirsch stehen in der Brunftzeit nur wenige Tiere, zu Brunftkämpfen kommt es nur selten, jedoch aber zu imponierenden Drohgebärden.

Sikahirsche sind sehr anpassungsfähig und je nach Verbreitungsgebiet ist die Futteraufnahme von Biotop zu Biotop sehr verschieden. Sie bevorzugen Wälder mit einem dichten Bewuchs aber sie lieben auch freie Landschaften und kommen auch in Feuchtgebiete vor. Beim Äsen sind sie nicht wählerisch, deswegen geht man davon aus, dass der Geschmacksinn beim Sikawild nur mäßig entwickelt ist.

Lautäußerung

Bei den Lautäußerungen unterscheidet sich Sikawild vom Rot- und Damwild. Es werden zehn verschiedene Lautäußerungen verzeichnet, was deutlich mehr ist als bei den meisten anderen Hirscharten.

Mit einem kurzen, durchdringenden Pfiff können Hirsche und Tiere schrecken und bevor sie abspringen, verhoffen sie oft lange regungslos im Stangenholz. Der Brunftschrei des Hirsches ist ein drei- bis viermal wiederholtes lang gezogenes Pfeifen, das erst nach Stunden wiederholt wird.

Soziale Organisation

Wie alle Hirscharten lebt das Sikawild in Rudel, welches grundsätzlich standorttreu ist. Ausgewachsene Hirsche sind für die meiste Zeit des Jahres Einzelgänger. Kahlwild und Jungtiere bilden Familienverbände in denen zwei bis 10, selten 15 Tiere zusammenfinden. In der Brunftzeit bilden die Platzhirsche einen kleineren Harem von bis zu 12 Weibchen. Gelangen andere Hirsche in das Revier, werden sie vertrieben, wobei es zu heftige Kämpfe kommen kann.

Fortpflanzung

Die Geschlechtsreife tritt beim Sikawild im Alter von 16-18 Monaten ein. Spießer und Schmaltiere sind paarungsbereit und nehmen an die Brunft teil. Im Gehege können Spießer auch Alttiere erfolgreich begatten. In der freien Wildbahn kommen sie durch die Dominanz des Platzhirsches nicht zum Beschlag.

Auch bei der Haltung vom Sikawild im Gehege sollten für die Zucht Althirsche eingesetzt werden. Das Zuchtoptimum erreicht der Sikahirsch mit 6-8 Jahren.

Beim Sikawild zieht sich die Brunft über einen langen Zeitraum zwischen September und Dezember hin.

Die Hauptbrunftzeit liegt aber in der 2. Oktoberhälfte, in der die Hirsche ihre Brunftgebiete markieren. Sie heben mit den Klauen und mit dem Geweih Löcher in den Boden (Brunftkuhlen), die mit scharf riechendem Urin befeuchtet werden. Die befeuchtete Erde dient der Einstandsmarkierung durch Fegen und Schlagen von Büschen und Bäumen.

Die Entwicklung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ist zyklisch (jährlich) und photoperiodisch. Die Vergrößerung der Hoden und Drüsen, die Drüsenaktivität und die Spermienbildung, welche eine bedeutende Rolle für die Geweihbildung haben, beginnen schon im Sommer und erreichen ihren Höhepunkt im Herbst während der Brunft.

Der Brunftruf (Brunftschrei) des Sikahirsches beginnt meist kurz vor der Dämmerung, erreicht nach Mitternacht zum früheren Morgen hin seinen Höhepunkt und geht etwas in den Morgen hinein, wobei größere Abstände zwischen dem Brunftschrei liegen. Der Brunftruf ist ein typischer, meist dreimal wiederholter Pfiff, der im Röhren endet.

Trächtigkeit und Geburt

Die Tragezeit erstreckt sich beim Sikawild über 32 Wochen (224 Tage). Die meisten Geburten (ca. 95%) entfallen in Juni. Grundsätzlich bringen die Tiere ein Kalb mit einem Geburtsgewicht von 3,5-7 kg zur Welt. Bereits einige Stunden vor der Geburt sind die Tiere sehr unruhig und nehmen fast keine Nahrung mehr auf. Sie sondern sich von der Gruppe ab und suchen Plätze mit hohem Gras oder Kräuter auf. Die Geburt erfolgt überwiegend im Stehen und die Austreibungsphase des Kalbes dauert ca. 20. Minuten. Sofort nach der Geburt beginnt das Kalb mit der Suche des Euters und spätestens nach 30 Minuten wird der erste Versuch um Saugen unternommen.

Im Alter von ca. 4 Wochen folgt das Kalb der Mutter bei der Nahrungssuche und bleibt mit ihr im Rudel. Hier lernt es gleichaltrige Artgenossen kennen, mit denen es ausgiebig herumtollt. Die Muttertiere halten mit ihren Kälbern durch verschiedene Laute ständig Kontakt.

Obwohl bis in den Winter hinein, gesäugt wird, wird das ältere Kalb langsam entwöhnt. Schon im Alter von 2 Wochen fangen die Kälber an einige Grashalme zu reißen, aber erst mit ca. 4 Wochen können sie Gras fressen.

Fressverhalten

Sikawild gehört als Wildwiederkäuer zu dem intermediären Typ mit Tendenz zum Grasfresser. Sikahirsche fressen in der freien Landschaft Kräuter und Gräser und landwirtschaftliche Kulturen, in den Wäldern Knospen und junge Triebe, Beeren, Früchte und Eicheln. So können erhebliche Schäden in den Wäldern und auf landwirtschaftlichen Anbauflächen angerichtet werden. In Feuchtgebieten werden auch Schilfe, Binsen und Wasserpflanzen und in den Küsteregionen auch angespülten Seetang gefressen. Sikahirsche sind überwiegend nachtaktiv und in den Gebieten, in denen sie ungestört sind, sind sie auch in den Morgenstunden auf den Äsflächen zu beobachten und kehren auf diese erneut in den späten Nachmittagsstunden zurück.

Züchtung

Die Zucht des Sikawildes im Gehege erfolgt unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte. Jeder Züchter ist bestrebt, in seiner Herde nach den Parametern zu züchten, die zu einer Verbesserung der Rentabilität beitragen.

Allgemein kommen für die Zucht von Gehegewild folgende Kriterien in Frage:

  • Körperliche Entwicklung hinsichtlich Größe und Gewicht
  • Futterverwertung
  • Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung
  • Zusammensetzung der Schlachtkörper (Fett – Fleisch – Verhältnis).

Bei den weiblichen Tieren entscheidet die Zuchtwahl in erster Linie die Eigenleistung, bei den männlichen Tieren die Eigenleistung und die Leistung der Nachkommen.

Eine systematische Zucht erfordert eine Kennzeichnung aller Tiere (Ohrmarken und Halsbänder), die Erfassung der väterlichen und mütterlichen Abstammung (Herdbuchführung) und die Anlage von Koppeln, in denen die züchterisch besten Tiere eines Geheges mit ausgewählten Hirschen gepaart werden.

Die Schlachtung bezieht sich vor allem auf Tiere mit unerwünschten Merkmalen, die von der Zucht ausgeschlossen werden sollen.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner